Zeit ist Raum

 Als die Pariser Kommunarden 1871 revoltierten, da zerschossen sie als erstes die großen öffentlichen Uhren. Denn Zeitmessung und Taktung sind Mittel der Disziplinierung. 

Zeit wird so zu einer rein mathematischen Größe, zu einem Zahlenspiel mit klar definierten
Einheiten, die unterschiedliche Bedeutungen haben: Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit, Lebenszeit. Der lineare Zeitlauf ist zugleich Illusion und Anmaßung, denn Zeit ist immer subjektiv, immateriell und frei verfügbar. Wie können wir die Zeit aufheben?
Lediglich in der Unendlichkeit löst sich der feste Klemmergriff des funktionalisierten Zeitverlaufes. Denn Unendlichkeit ist nichts anderes als ein verschwenderisches Übermaß an Zeit und Raum.
Raum ist die Schwester der Zeit. Wenn ein einziges Ding im selben Raum zweimal existiert, dann gibt es keine Zeit mehr. Raumgrenzen sind Zeitgrenzen. Die Science Fiction hat aus diesen komplexen Phänomenen eine große Erzählung gemacht. Hier werden Fakten fiktionalisiert und Naturgesetze phantasiert. In der Kunst werden Zeit und Raum interpretiert, gedehnt und in die Unendlichkeit verlängert. Was im wissenschaftlichen Experiment als Teilchenbeschleuniger und Urknalltheorie, gekrümmter Raum und Quantenphysik in der Abstraktion der Zahlen unvorstellbar bleiben muss, wird im Experiment der Kunst und ihrer Objekte erfahrbar. Die Erkenntnis bleibt ein Geheimnis. Der Fluchtpunkt ist die Phantasie.

 

Maik Schlüter
Braunschweig, Juni 2013

space-shuttle, kubrik / Kunstverein Hannover, 2013